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Kaiserschnitt-Arten im Überblick – Eine neue Klassifikation zur Verbesserung von Praxis und Forschung mit dem Ziel besserer Gesundheit für Mutter und Kind

Langform: Implementierung eines standardisierten Klassifikationsschemas für Sectio Caesarea: Ein Beitrag zur Verbesserung der geburtshilflichen Forschung und Praxis

Autorin: Petra Burger
Kontakt: hi@petraburger.com
Veröffentlichungsdatum: 11. April 2024

Wichtig: Es handelt sich hierbei um einen Vorschlag zur Klassifikation, nicht um eine anerkannte oder offizielle Einteilung. Wenn du dieses System zitieren möchtest, verweise bitte auf diese Seite und nenne die Autorin.


Zusammenfassung

Angesichts der global zunehmenden Anwendung von Kaiserschnitten und der damit verbundenen variablen Praxis und Dokumentation, etabliert die vorliegende Arbeit ein standardisiertes Klassifikationsschema für Sectio Caesarea, Kaiserschnitt. Ziel ist es, eine einheitliche Grundlage für die Bewertung und Analyse von Kaiserschnitten zu schaffen, um deren Auswirkungen auf Mutter und Kind besser verstehen und einschätzen zu können und das Potenzial für Maßnahmen zu erkennen, die das Potenzial haben, die Gesundheit von Mutter und Kind auch langfristig zu verbessern.

Das vorliegende Schema basiert auf einer Neuordnung bereits bekannter, jedoch teilweise uneinheitlich genutzter Begriffe und fügt diese in ein kohärentes System ein, welches die Möglichkeit bietet, präzise und differenzierte Daten für klinische und wissenschaftliche Zwecke zu generieren.

Einführung

Die Klassifikation von Sectio Caesarea weltweit leidet unter einer erheblichen Variabilität in Begrifflichkeiten und Bewertungskriterien, was die vergleichende Forschung und klinische Entscheidungsfindung erschwert. Angesichts steigender Kaiserschnittraten ist es von zentraler Bedeutung, die spezifischen Umstände, unter denen Kaiserschnitte durchgeführt werden, genauer zu erfassen. Ich möchte ein Modell darstellen, das auf den Grundlagen der geburtshilflichen Praxis aufbaut und eine systematische Klassifikation ermöglicht.

Methodik

Das Modell nutzt eine strukturierte Analyse existierender Terminologien und Praktiken, um ein kohärentes Schema zu erstellen, das die Hauptkategorien Grund (elektiv vs. indiziert), Zeitpunkt (primär vs. sekundär) und Absicht (geplant vs. ungeplant) integriert. Ergänzend zu diesen drei Hauptkategorien, aber nicht weniger relevant, kommt die postoperative Bewertung der “Priorität” zu tragen, die es ermöglicht, die Dringlichkeit des Eingriffs zu markieren, welche für die Gesamtbewertung und Forschung überaus wichtig ist.

Nutzen

Das entwickelte Schema ermöglicht eine umfassende und präzise Klassifikation von Sectio Caesarea, indem es:

  1. Die Vielfalt der geburtshilflichen Praxis in Hinblick auf den Kaiserschnitt abbildet und strukturiert.
  2. Eine Basis für die vergleichende Analyse und Forschung bietet und
  3. dadurch hilft, Stellschrauben zur Verbesserung der mütterlichen und kindlichen Gesundheit zu finden.

Relevanz

1. Grund – elektiv vs. indiziert:

Diese Kategorie ist zentral für das Verständnis der medizinischen und persönlichen Hintergründe, die zu einem Kaiserschnitt führen. Die Unterscheidung zwischen elektiven und indizierten Kaiserschnitten ermöglicht eine präzise Analyse der Beweggründe für den Eingriff und seiner medizinischen Notwendigkeit. Dies ist insbesondere relevant für die Entwicklung von Richtlinien zur Patientenaufklärung und Entscheidungsfindung sowie für die Identifizierung von Faktoren, die zur steigenden Kaiserschnittrate beitragen.

2. Absicht – geplant vs. ungeplant:

Die Planung eines Kaiserschnitts betrifft die Vorbereitung und Antizipation des Eingriffs. Geplante Kaiserschnitte bieten die Möglichkeit einer umfassenden Beratung und Vorbereitung, während ungeplante Kaiserschnitte oft unter weniger idealen Bedingungen stattfinden. Die Kenntnis über die Absicht hinter dem Kaiserschnitt ist relevant für die psychologische Betreuung der Schwangeren, das Management von Erwartungen und Ängsten sowie die Optimierung der postoperativen Versorgung und Unterstützung.

3. Zeitpunkt – primär vs. sekundär:

Der Zeitpunkt des Kaiserschnitts hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Primäre Kaiserschnitte werden vor Beginn der Wehen durchgeführt, während sekundäre Kaiserschnitte nach Einsetzen der Wehen erfolgen. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Erforschung der physiologischen und psychologischen Auswirkungen des Kaiserschnitts auf das Neugeborene und die Mutter, einschließlich der Schmerzwahrnehmung, der Erholungszeit und des Risikos postoperativer Komplikationen.

Postoperativ: Priorität – regulär vs. eilig vs. Notfall:

Diese ergänzende Kategorie reflektiert die Dringlichkeit des Eingriffs und ist entscheidend für das Verständnis der Dynamik und Komplexität geburtshilflicher Situationen. Die Bewertung der Priorität nach dem Eingriff ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der Umstände, die zu einer Änderung der Dringlichkeit führen können, und hilft, die Auswirkungen verschiedener Dringlichkeitsstufen auf klinische Ergebnisse zu untersuchen.

Warum “Priorität” keine Hauptkategorie ist

Die Integration einer postoperativen Bewertung der „Priorität“ trägt der Tatsache Rechnung, dass die Dringlichkeit eines Eingriffs ein kritischer Aspekt ist, der jedoch aufgrund seiner inhärenten Dynamik nicht präoperativ festgelegt werden kann.

Anwendungsbereiche und Ziele

Das vorgestellte Modell dient als Grundlage für eine Reihe von Verbesserungen in der geburtshilflichen Versorgung und Forschung:

  • Gesundheitsförderung und Risikominimierung: Durch die differenzierte Betrachtung des Kaiserschnitts können spezifische Vorteile und Risiken für Mutter und Kind identifiziert werden, die zu einer gezielten Anpassung der klinischen Praxis führen.
  • Schmerzmanagement und psychische Gesundheit: Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung und der psychischen Verarbeitung des Eingriffs können möglicherweise bestimmten Markern zugeordnet werden. Die daraus resultierenden Erkenntnisse können zur Entwicklung individuell angepasster Schmerztherapien und psychologischer Unterstützungsangebote beitragen.
  • Forschung zu und Bewertung von Langzeitfolgen: Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Kaiserschnitt-Typen und -Markern könnte eine verbesserte Einschätzung der Zusammenhänge zwischen dem Eingriff und bestimmten Erkrankungen sowohl bei der Mutter als auch beim Kind ermöglichen. Mit dem Kaiserschnitt in Verbindung stehende Krankheitsbilder oder Komplikationen wie beispielsweise Adenomyose und Plazentationsprobleme (bei der Mutter) oder Asthma und Typ-1-Diabetes beim Kind können möglicherweise besser ein- bzw. zugeordnet werden. Diese Rückschlüsse erlauben es, präventive Strategien zu entwickeln und ermöglichen gezieltere Nachsorge.

Potenzielle Unterschiede und Forschungsansätze

Primäre vs. Sekundäre Kaiserschnitte:

Die Hypothese, dass sekundäre Kaiserschnitte, bei denen bereits Wehen eingesetzt hatten, möglicherweise mit weniger negativen Langzeiteffekten für das Kind verbunden sind als primäre Kaiserschnitte ohne Wehenbeginn, bedarf weiterer Forschung. Die Wehen könnten bestimmte physiologische Vorteile für das Kind mit sich bringen, etwa durch die Exposition gegenüber mütterlichen Hormonen und die Stimulation des Immunsystems. Gleichzeitig muss dabei der Grund beachtet werden, da sich bestimmte medizinische Indikationen möglicherweise negativ auswirken könnten.

Geplante vs. Ungeplante Kaiserschnitte:

Die psychische Verfassung der Mutter und die damit verbundene Vorbereitung auf die Geburt könnten Einfluss auf die postnatale Interaktion mit dem Kind und folglich das Wohlbefinden des Kindes haben. Ein geplanter Kaiserschnitt, der der Mutter Zeit gibt, sich mental auf den Eingriff einzustellen, könnte zu einer ruhigeren Umgebung und einer positiveren initialen Bindung führen.

Elektive vs. Indizierte Kaiserschnitte

Bestimmte Indikationen könnten (andere) Auswirkungen auf die langfristige Gesundheit des Kindes haben, als das bei einem elektiven Kaiserschnitt – ohne medizinisch relevante Aspekte – der Fall ist.

Dringende und Not-Kaiserschnitte vs. Reguläre Kaiserschnitte:

Es gilt zu untersuchen, ob es Unterschiede in den Auswirkungen gibt, abhängig davon, mit welcher Dringlichkeit bzw. unter welchen (erschwerenden) Umständen ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde. Es ist denkbar, dass sich andere Auswirkungen und Folgen ergeben, als es bei einem regulär durchgeführten Kaiserschnitt der Fall wäre, aufgrund beispielsweise

  • der notwendigerweise schnelleren Operationstechnik beim Notkaiserschnitt oder
  • der mentalen und emotionalen Überforderung der Gebärendendes Stresslevels beim Kind
  • etc.

Das Modell im Detail

Das Modell umfasst insgesamt acht Hauptkombinationen von Kategorien vor der Berücksichtigung der postoperativen Priorität:

Jede dieser Kombinationen reflektiert spezifische Szenarien in der geburtshilflichen Praxis und bietet eine Grundlage für detaillierte Untersuchungen und Analysen.

Pink: Elektiv, geplant, primär
Grün: Elektiv, geplant, sekundär
Lila: Ungeplant, elektiv, primär
Blau: Ungeplant, elektiv, sekundär
Rot: Indiziert, geplant, primär
Orange: Indiziert, geplant, sekundär
Gelb: Ungeplant, indiziert, primär
Türkis: Ungeplant, indiziert, sekundär

Spezifische Marker und deren Erkennung

  • Ein Kaiserschnitt ist primär, wenn er vor Einsetzen der Wehen durchgeführt wird. Er ist sekundär, wenn die Geburt spontan begonnen hat bzw. die Wehen eingesetzt haben.
  • Ein Kaiserschnitt gilt als geplant, wenn der Termin vor Geburtsbeginn festgelegt wurde und Zeit für ordentliche Aufklärung und Vorbereitung vorhanden war. Die Entscheidung basiert auf medizinischen Indikationen oder persönlichen Präferenzen und ermöglicht eine umfassende Vorbereitung. Er gilt als ungeplant, wenn die Geburt bereits begonnen hat oder eine echter Terminisierung/Planung nicht mehr möglich ist.
  • Ein Kaiserschnitt ist elektiv, wenn er ohne medizinische Begründung auf Wunsch der Mutter durchgeführt wird. Dies beinhaltet Fälle, in denen keine explizite medizinische Indikation vorliegt, jedoch psychologische Gründe wie ausgeprägte Geburtsängste eine Rolle spielen. Indiziert ist ein Kaiserschnitt, wenn medizinische Gründe einen Kaiserschnitt rechtfertigen, wobei auch psychopathologische Gründe, wie z. B. Angststörungen, darunter fallen. Indizierte Kaiserschnitte müssen zudem in absolute Gründe, medizinische Notwendigkeiten, die keinen Aufschub dulden, und relative Indikationen, bei denen medizinische Vorzüge gegen potenzielle Risiken abgewogen werden, unterteilt werden.
  • Postoperative Einteilung: Kann ein Kaiserschnitt ohne Dringlichkeit durchgeführt werden, handelt es sich um einen regulären Kaiserschnitt. Eilig ist ein Kaiserschnitt, wenn er dringend, aber ohne extreme Umstände oder den Zeitdruck eines Notfalls durchgeführt werden kann. Eine Allgemeinanästhesie ist zumindest nicht aufgrund der Dringlichkeit indiziert. Der Notkaiserschnitt ist eine Situation mit höchster Dringlichkeit, wo schnelles Handeln kritisch ist, um das Leben von Mutter oder Kind zu retten. Dies kann sowohl bei ursprünglich geplanten als auch bei ungeplanten Eingriffen der Fall sein, wenn sich akute Notlagen entwickeln.

Beispiele

  • Elektiv, geplant, primär(Pink): Eine Schwangere entscheidet sich im siebten Monat (geplant) aus persönlichen Gründen (elektiv) für einen Kaiserschnitt, welcher in der 39 Schwangerschaftswoche vor dem Einsetzen der Wehen (primär) durchgeführt wird.
  • Elektiv, geplant, sekundär (Grün): Die werdende Mutter hat sich aufgrund von Geburtsangst für einen Kaiserschnitt entschieden (elektiv). Bereits mehrere Wochen vor ET wurde vereinbart, dass die Wehen abgewartet werden, um dem Baby die möglichen Vorzüge des spontanen Geburtsbeginns zu sichern.
  • Ungeplant, elektiv, primär (Lila): Eine Schwangere entscheidet sich spontan am ET (ungeplant) für einen Kaiserschnitt, bevor die Wehen begonnen haben (primär), aus nicht-medizinischen Gründen (elektiv).
  • Ungeplant, elektiv, sekundär (Blau): Während der Wehen entscheidet sich die Schwangere unerwartet für einen Kaiserschnitt, obwohl sie zunächst eine natürliche Geburt angestrebt hatte.
  • Rot (Indiziert, geplant, primär): Bei einer Schwangeren wird frühzeitig eine medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt festgestellt, wie etwa eine Querlage des Babys, und der Eingriff wird geplant und vor dem Beginn der Wehen durchgeführt.
  • Indiziert, geplant, sekundär (Orange): Das Baby befindet sich in Beckenendlage und es wird ein Kaiserschnitt geplant, allerdings wird bewusst auf den spontanen Geburtsbeginn gewartet.
  • Ungeplant, indiziert, primär (Gelb): Die Schwangere erleidet einen Unfall, welcher das sofortige Holen des Babys erfordert. Der Kaiserschnitt war ungeplant, ist jedoch medizinisch begründet und wird vor Einsetzen der Wehen durchgeführt. Es handelt sich zudem um einen Notkaiserschnitt.
  • Ungeplant, indiziert, sekundär (Türkis): Nach Einsetzen der Wehen treten Komplikationen auf, die einen Kaiserschnitt erforderlich machen, obwohl ursprünglich eine natürliche Geburt geplant war.

Diskurse

Das vorliegende Modell eröffnet Raum für schwierige, aber notwendige, gesellschaftliche und politische Diskussionen, insbesondere hinsichtlich der Kostenübernahme von Kaiserschnitt-Geburten durch Krankenversicherungen und dem Selbstbestimmungsrecht gebärender Personen. Die klare Unterscheidung zwischen medizinisch indizierten und elektiven Kaiserschnitten ermöglicht, bietet es eine solide Basis für die Auseinandersetzung mit diesen Themen.

Klärung des „Wunschkaiserschnitts“: Der sogenannte Wunschkaiserschnitt wird in zweierlei Hinsicht kritisch diskutiert. Die klare Unterscheidung zwischen elektivem und indizierten Kaiserschnitt, verringert das Diskussionspotenzial insofern, als dass ein von der schwangeren Person aus psychischen Gründen gewählter Kaiserschnitt als elektiv und nicht als “Wunschkaiserschnitt” zu bezeichnen ist. Ein Wunschkaiserschnitt könnte somit als ein Kaiserschnitt verstanden werden, der weder auf medizinische noch psychischen Gründen basiert. Ein solcher Kaiserschnitt in Anbetracht dessen, dass es sich nicht nur um einen Eingriff an der Gebärenden, sondern auch Konsequenzen für die kindliche Gesundheit hat, sorgfältig abzuwägen, wobei das Wohl von Mutter und Kind im Vordergrund stehen müssen.

Schlussfolgerung

Das von mir entwickelte Klassifikationsschema für Sectio Caesarea möchte eine differenzierte Betrachtung des Kaiserschnitts ermöglichen und so zur Verbesserung der geburtshilflichen Versorgung und Forschung beitragen.

Durch die detaillierte, aber einfache Klassifikation und die Einbeziehung der Priorität als postoperative Bewertung bietet das Modell eine nützliche Perspektive auf Sectios und ihre Auswirkungen, was letztendlich zu signifikanten Verbesserungen für Mutter und Kind führen kann.

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